Eine Erinnerung an die erste Zeit nach dem Kriege in Flensburg
Von Klaus Hurst geb. Feuring Kürzlich in Süd-Afrika verstorben
Mein musikalischer Lebenslauf begann 1939 , als ich mit einer schweren Diphterie im damals vom Militär belegten St. Franziskus Hospital lag. Wir wohnten im Falkenberg 14 in der Nähe des Scharnhorst Lagers, welches mein Vater - er war höherer Offizier - mit aufgebaut hatte.
Meine Mutter brachte mir ins Krankenhaus ein Kinderglockenspiel mit.
Von nun an ging`s bergab: Es folgte ein (gemietetes) Klavier und Unterricht zunächst bei einem pensionierten, berühmten Konzertpianisten, Edmund Schmidt, Flurstr. 11. Dann kam der Krieg mit all seinen Wirrnissen, nach dessen Ausgang Flensburg über 100.000 Einwohner hatte. (Viele Flüchtlinge!) Darunter auch zwei ältere Musikprofessorinnen der Hochschule für Musik Moskau. (Baltinnen). (Klavier Frl. Vera Brock und Harmonielehre ???)
Durch die Nachkriegseinflüsse und um nicht zu verhungern, begann ich mich mit Jazz zu befassen. In der Zwischenzeit hatte ich mich um die Aufnahme in der Musikhochschule Hamburg beworben. Bestanden. Meisterklasse. Professor für Piano war eine ältere Dame namens NEY, Elly??
Um die linke Hand zu entlasten, suchte ich einen Gitarristen. Gitarre war vorhanden. Das kleine Einmaleins (C.G.F.) war ihm schnell beigebracht. Er hieß Wolfgang Krampitz. (Heute Wolfenbüttel) Dann folgte unsere "steile Karriere" als Band von 1946 an.
Zunächst begann diese mit einer Verhaftung durch die englische Militärpolizei,- es war noch die Zeit der Curfew (Ausgangssperre). Ich hatte zusammen mit Wolfgang in der Wohnung einer Freundin in der Straße am Alten Friedhof/Wasserturm bei offenem Fenster einige "schräge Akkorde" geübt.
Man verfrachtete uns in einen Jeep und fuhr uns in eine Villa in der Stuhrs Allee mit einem Schild "Country Club", der englische Offiziers-Club. Hier wurden wir beiden Jungs (16 Jahre alt, in kurzen Hosen und unterernährt) in einen Ball-Saal ähnlichen Raum geführt, wo ein Flügel stand und mußten "jazzen". Das war also unser erstes "Engagement". Keinesfalls freiwillig, sondern unter Androhung von Waffengewalt. Mit Sicherheit war dies der Anfang der Flensburger "Jazz-Szene".
Nach dem Bibelwort "Mehret Euch" waren wir bald 5 Musiker ( Bass, Schlagzeug, Trompete, Saxophon, Geige) Hans Werner Zanker, Dieter Schünnemann, Wendt Wendenburg - heute in den USA - erinnere ich noch.
Die Band kostete 20,- RM von 18.00 bis Open End. Im englischen Offiziersclub eine wame Malzeit! Engagements gab es nur auf Anforderung. (Wir gingen ja fast noch alle zur Schule) Ca. 1950 hatte alles ein Ende, weil wir mit der Schule fertig waren.
Schünnemann wurde Verkäufer bei Uldall in Flensburg. Feuring wurde Lehrling bei Christian Wolf (Druckerei und Verlag) Zanker studierte in Hamburg Architektur, Wendenburg wanderte aus in die USA. Krampitz wurde Verkäufer für Farbbänder.
Einer unserer "Groupies" war damals E.G. Bendtfeld (Erfinder der Prell-Akkorde) Ein hochmusikalischer Junge. (Halbwaise) Ich lernte seine Mutter kennen. Sie war Klavierlehrerin. Er hatte das Zeug zum erstklassigen Jazzpianisten. (Anmerkung Lorenzen: Recht hat er - wie sich später rausstellte...!)
Im "Tivoli" haben wir nie gespielt. Das war "unter der roten Laterne", - ein übler Bums.
Unsere Musik
Zugänglich waren uns einige Schallplatten, englischer Soldatensender und andere Stationen. Noten gab es keine zu kaufen! Im wesentlichen spielten wir Swing, also Tanzmusik (amerikanische). Von dem folgenden "Bebop-Zeitalter" haben wir uns mit Schaudern abgewandt. Gespielt haben wir auf Ärztebällen, Schulfesten, Reiterball und im Tennisclub. Selbst zu Beerdigungen. Ein absolutes "Breitband-Repertoire". Als ich auf einer ländlichen Beerdigung mangels Masse einmal Beethovens "Serenade" auf dem Klavier mit Begleitung von Streichbass intonierte, kam der Großbauer sofort auf die Bühne gestürzt und verbat sich, zu diesem "Anlaß" Jazz zu spielen..... War übrigens in Fleckeby an der Schlei.
Was nun die allgemeine Jazzgeschichte in Flensburg betrifft, so muß ich etwas weiter ausholen, - bis zu FRANZ THON, später Leiter des ersten Deutschen Rundfunk-Tanzorchesters - aus der "Blue Five" hervorgegangen, der einzigen deutschen Jazzband während der Nazi-Zeit, die geduldet wurde. Dessen Schüler und auch Mitglied, war Heinz Both, Pianist und Klarinettist. Später - bis zu seiner Pensionierung Generaljugend-Musikerzieher der Landes-Hauptstadt Hannover. Dieser hatte zu meiner Zeit die einzige kleine, deutsche Jazzband im norddeutschen Raum (Profis). Wir waren ja nur Amateure. Die Kapelle Heinz Both spielte damals während der Saison im exclusivsten nordd. Nachtclub, dem "Trocadero" Das war - glaube ich - auch zur Zeit des Beginns der Westerländer Spielbank. Ich hatte damals ein kurzes Engagement im gegenüberliegenden Hotel "Miramar". Von seiner Musik ist alles, was ich gemacht habe, beeinflußt worden.
30 Jahre später habe ich ihn dann wiedergetroffen. Mein Bruder, pensionierter General von AEG Telefunken Hannover, hatte ihn mitgebracht zu mir auf den Weinberg in Alfeld. Er hat mir, mit einer Widmung, - seine Schule "Der Jazz-Organist" zusammen mit einer Schule für Zug-Posaune seines Freundes Günther Fuhlisch (auch bei Franz Thon,- später dort Chef) mitgebracht.
Die Posaune, neben Klavier mein Lieblingsinstrument, wollte ich studieren. Ich kaufte mir eine, bekam aber Kiefernkrebs, bevor wir nach Süd-Afrika gingen, verlor alle meine Zähne und beendete damit auch diese "steile" Musikkarriere.
Anmerkung: Der Verfasser kommt noch mit einigen interessanten Anmerkungen, was den bis heute bekannten Vibraphonisten und Pianisten HELGE SCHMEDEKE betrifft:
(Helge Schmedekes Cousine war 32 Jahre mit Klaus Feuring (heute Hurst) verheiratet. Dadurch kannten sich Klaus Feuring und Helge Schmedekes Eltern):
"Helge hatte klassischen Klavierunterricht erhalten und nun lud mich sein Vater in deren Wohnung ein, um mich mit Helge zu befassen. Ich verbrachte dort einen Nachmittag zusammen mit Helge am Klavier. Ich habe ihm etwas von Sext - verminderter Sept - und Null Akkorden gezeigt und ihm empfohlen, sich einen Kumpel zu suchen, der ein Schlag-, Rhythmus-, oder Begleit-Instrument spielt, oder einen anzulernen. So muß es dann auch gelaufen sein, denn kurze Zeit später gab es dann eine Band, die sogar einen Vibraphonisten hatte. Helge Schmedeke!"
"Die weitere Jazz-Scene Flensburgs habe ich dann aus den Augen verloren, zumal ich beruflich engagiert war und später Flensburg verließ und nach Alfeld ging."
Falls es irgendwo Fotomaterial aus dieser Zeit geben sollte, z.B. von den vorgenannten Festen im Tennis-Club usw., bitte bei mir melden!!
Klaus Lorenzen
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