Ein altes Kornett
Mein Zeugnis wäre sicherlich besser gewesen, wenn nicht der ...Jazz gewesen wäre.
Schuld daran war Louis Armstrong. Als ich in Fredericia zum ersten Mal eine Schellack-Platte mit dem "Basin Street Blues" hörte, lief es mir kalt den Rücken herunter. Das war meine Musik! Der entscheidende Kick kam, als wir 1955 mit unserer Schulklasse in Kopenhagen waren. Mein Schulfreund Sven-Erik Tychsen und ich gingen natürlich nach Nyhavn und landeten in der Kneipe "Cap Hoorn". Hier gab es New Orleans live, es spielten einige der Musiker von Ricardos Jazzband. Besonders die blonde Gitarristin fand ich wunderbar. An diesem Tag beschlossen Sven-Erik und ich, dass wir auch Jazz spielen wollten. Ich kaufte mir erst eine Ukulele, dann für 35 Mark ein altes Kornett, Sven-Erik eine billige Zugposaune - und dann ging es los. Musikunterricht gab es natürlich nicht, wir mussten uns also selbst beibringen, wie man die Lippen ans Mundstück drücken und welche Ventile man drücken musste, damit der gewünschte Ton herauskam. Noten gab es auch nicht, also mussten wir uns die Stücke beibringen, indem wir uns die Schallplatten immer wieder anhörten und die Tonfolgen unserer Vorbilder möglichst genau nachspielten. Ich glaube, wir konnten ungefähr fünf Stücke, als wir zum ersten mal, am 28. März 1957, unter dem Namen "Rainy City Stompers" bei einem Klassenfest auftraten. Da waren wir gerade 17. Wenige Monate später spielten wir schon im Deutschen Haus, vor 1000 Zuhörern. "Die Jazzband der Duborg-Schule spielte ausgezeichnet", schrieb Flensborg Avis. Wir gründeten den Jazzclub "Storyville" und übten wie besessen. Dabei war Gunnar Stig Hansen auf der Klarinette, Dieter Bauer und Adolf Zipfel spielten Gitarre. Fidde Becker hatte nur eine Ukulele. Sven-Erik und ich erhielten beide Eintragungen im Zeugnis, dass unsere Eltern darauf achten sollten, dass wir mindestens soviel Zeit mit Schularbeiten verbringen sollten wie mit unseren Instrumenten.

Der Höhepunkt meines Lebens
Für mich drehte sich damals alles um die Musik. Wir spielten fast jedes Wochenende, oft fuhren wir nach Dänemark, um in den dortigen Jazzclubs zu aufzutreten. Ich wechselte zum Banjo, als Theo Böhner mit seiner Trompete auftauchte; er war besser als ich. Als George Lewis, der alte Revival-Klarinettist, im Oktober 1958 mit seiner New Orleans Band in Apenrade gastierte, durfte ich die zweite Halbzeit mitspielen. Ich war wie ich einem Glücksrausch: Dies ist der Höhepunkt meines Lebens, so etwas kommt niemals wieder...

Nach dem Abitur fuhr Sven-Erik für längere Zeit in die USA. Als er zurück kam, hatte ein anderer Posaunist seine Stelle in der Band übernommen. Ich spielte weiter, ab 1960 wieder Trompete, hatte immer Geld in der Tasche und viele Bewunderinnen. Auch als ich nach dem Abitur zunächst für ein Jahr in Schleswig arbeitete und mit unserem Pianisten Karsten Eyser Nielsen in einem kleinen Gartenhaus an der Schlei wohnte, um dann in Kiel ein Studium zu beginnen: Physik und Mathematik. Ich wollte Raketen bauen, Wernher von Braun war mein grosses Vorbild.

Engel

Aus meiner Weltraum-Karriere wurde nichts. Die Physik-Versuche fand ich immer sehr interessant, die Mathematik-Vorlesungen aber grauslich. Als ich in den Semesterferien bei Flensborg Avis arbeitete und wohl eine brauchbare Geschichte über einen Kaninchenzüchterverein geschrieben hatte, erkannte der damalige Chefredakteur Jacob Kronika mein Talent und meinte, ich solle doch die Raketen sausen lassen und lieber Journalist werden. Sein Angebot, mich sofort mit dem Gehalt eines Jungredakteurs einzustellen, überzeugte mich: Damit konnte ich mir ein Auto kaufen! Es war ein Fiat 500 Familiare, sogar ein Bass passte hinein!

Die Musik ging weiter, auch als ich nach einem Jahr bei Flensborg Avis zur weiteren Ausbildung nach Dänemark zog, aber die Rainy City Stompers gab es in der ursprünglichen Besetzung nicht mehr. Ich spielte in wechselnden Bands in Horsens, zwischendurch auch Ventilposaune.

1964 erhielt ich einen Anruf von Sven-Erik. Er war auch Journalist, arbeitete für Berlingske Tidende in Bonn und sollte nach London versetzt werden. Ich wurde sein Nachfolger: Mit 24 Jahren Bonn-Korrespondent für die grosse dänische Zeitung. Ein Jahr später begann meine freie Mitarbeit bei der Dänemark-Redaktion des Deutschlandfunk, 1967 ging ich in die Nachrichtenredaktion zur Deutschen Welle in Köln.

Happy Jazz Company
Den Jazz hatte ich auch nach dem Umzug nach Bonn nicht aufgegeben. Ich fand mit meiner Trompete schnell Anschluss an eine Gruppe Bonner Jazzmusiker um Michael Meurer, Helmut Stein, Martin Beissenhirtz, Thomas Rocholl und Gerald Routschka. Nach einigen stilistischen Verirrungen landeten wieder beim Dixieland. Der Name "Happy Jazz Company" war Programm: Wir verstanden es, das Publikum mit unserer Bühnenshow mitzureissen. Die HJC spielte überall, auch beim Bonner Presseball und gelegentlich sogar im Fernsehen. Im Sommer ging es Mitte der Siebziger dreimal nach St.Tropez. Wir hatten einen alten Ü-Wagen des WDR gekauft und als Schlafwagen eingerichtet. Mehrere Schallplatten wurden produziert - aber sie lassen nur wenig von der mitreissenden Spielweise erahnen. Erst 1986 hängte ich die Trompete endgültig an den Nagel - nach einem kleinen Zusammenbruch während eines Auftritts im "Strickstrumpf", worauf ich drei Tage zur Untersuchung im Bonner Landeskrankenhaus verbachte - mit Verdacht auf Gehirnblutung. War aber alles OK.

Dann gab es noch die tollen Jubiläums-Konzerte der Rainies in Flensburg. Für diese Auftritte habe ich die Trompete noch einmal reaktiviert, mit ganz gutem Ergebnis, habe ich mir sagen lassen. Und jetzt vor kurzem noch einmal, als unser Schlagzeuger aus der Bonner Zeit, Helmut Stein, 60 wurde. Ein Wunder: Es klang genau wie früher!

Uwe Taubert öffnet für uns sein Photoalbum

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Zusammenstellung: Klaus Lorenzen

Text:Uwe Taubert

Internetbearbeitung: CPGWerbung